Gendern nimmt der Sprache die Ästhetik

von | 17. Juli 2021 | Neuigkeiten

„Gendern? Nicht mit uns!“ – den Duden-Aufruf des VDS haben viele Künstler unterschrieben: Schriftsteller, Theaterleute, Journalisten und Musiker. Zur letzten Gruppe zählt auch der Sänger und Produzent Tobias Künzel, einer der Frontsänger der Musikgruppe „Die Prinzen“.

 

Herr Künzel, darf ich als Frau eigentlich einen Ihrer größten Erfolge ungegendert mitsingen: „Ich wär so gerne Millionär“?
Gute Frage … eigentlich ja nicht (lacht). Es ist ja auch ein persönliches Lied von Sebastian Krumbiegel aus der Zeit, als seine Eltern ihm jeden Monat noch 20 Mark zugesteckt haben, damit er irgendwie über die Runden kommt. Wenn man sich als Frau in den Körper von Sebastian hineinversetzen kann: Klar!

Sprache ist ja heutzutage mit vielen Fallstricken verbunden, so scheint es zumindest. Sie haben unseren Duden-Aufruf unterschrieben – wieso?
Weil ich glaube, dass keine Frau auch nur einen Deut besser behandelt wird, wenn man ein Sternchen oder ein „innen“ dranhängt, das ist nur ein Alibi. Die Gleichwertigkeit von Frau und Mann muss eine moralische und innere Verpflichtung sein, dafür müssen wir kämpfen – nicht mit Wortvergewaltigungen. Ich bin in der DDR groß geworden, ich habe ein natürliches Misstrauen gegen alle Vorschriften.

Sie empfinden also das, was der Duden da beschlossen hat, als Vorschrift.
Als Willkür, ja. Es gibt ja Dinge, die sich im Sprachgebrauch ändern, zum Beispiel, dass aus „deinetwegen“ „wegen dir“ geworden ist, aber dass Sprache beschnitten wird, ohne dass es ein natürlicher Vorgang ist, das finde ich nicht richtig. Sprache ist etwas, das sich entwickeln muss.

Die Verfechter des Genderns führen ja gerade das ins Feld: Eben dass sich Sprache gerade angeblich ändert. Wie realitätsnah empfinden Sie das in Ihrem alltäglichen Sprachgebrauch?
Wenn ich es denn mal mitkriege, dass jemand das im Alltag wirklich benutzt, dann berührt mich das eher unangenehm. Aber das ist bisher nur zweimal vorgekommen und es wirkte auf mich auch wie verordnet und nicht natürlich. Schauen wir mal auf die alten Filme der 70er mit Ilja Richter und Roy Black. Da hieß es „dufte“ und „knorke“, eine Frau war eine „Biene“. Das klingt heute extrem altmodisch, so sprechen wir nicht mehr. Aber dass wir heute anders reden hat sich ganz natürlich entwickelt. Sprachentwicklung kann man nicht vorschreiben. Wenn Gendern Einzug in die Umgangssprache hält, dann ist es auch Zeit, die Regeln – auch im Duden – zu ändern, aber nicht vorher. Die Reihenfolge stimmt im Moment einfach nicht.

Mal hin zur Musik: Ein Lied will ja flüssig gesungen werden. Was heißt es für Künstler wie Sie, wenn gegendert wird? Hat es Auswirkungen aufs Texten?
Bei mir nicht, aber ich glaube, es gibt bald bestimmt ein Lied, was das Ganze auf die Schippe nimmt und dann das Heitere und die Absurdität dieser erzwungenen Sprachkultur beleuchtet. Denn das Gendern nimmt den Rhythmus und die Ästhetik aus der Sprache raus.

Sie sind ja generell ein Freund der deutschen Sprache, sie singen auf Deutsch – war das eine bewusste Entscheidung?
In der DDR wurde Rockmusik nur auf Deutsch gesungen. Wenn man erfolgreich sein und im Radio gespielt werden wollte, musste man deutsch singen. Für mich war das nicht schlimm, denn ich denke deutsch und ich fühle deutsch. Da ist es für mich ganz natürlich, auch auf Deutsch Texte zu schreiben. Ich könnte auch auf Englisch schrei​ben, weil ich wie gesagt viel und sehr gern in England unterwegs bin; aber da fehlt mir das letzte Quäntchen muttersprachliches Gefühl.

Was ist denn Ihr Wunsch: Wie sollten wir mit unserer Sprache umgehen?
Liebevoll. Sprache ist ein Geschenk. Man kann mit ihr mehr verletzen als mit Schlägen und Gewalt, man kann aber auch viel Gutes bewirken. Deshalb muss man mit ihr liebevoll und auch respektvoll umgehen.

Das Interview führte Dorota Wilke; gekürzt – aus VDS-Sprachnachrichten Nr. 90; Foto: Tine Acke

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